Ich besuchte in Moskau die sechsundsechzigste Spezialschule, und unsere Schule hatte ein Austauschprogramm mit Schulen in der DDR. Deutsche Kinder kamen zu uns und wir fuhren dorthin. Meine Verbindungen zur DDR stammen also aus meiner Kindheit. Als die Deutschen in unsere Schule kamen, gingen wir mit ihnen überall hin, und sie waren über vieles überrascht.

Marlboro-Plastiktüte
(Foto: Avito.ru)

Zum Beispiel hatten viele unserer Kinder, die schon Teenager waren, Markenjeans, während es in der DDR keine Jeans gab. Sie durften keine Markenjeans oder schicke Markentüten tragen, die jeder in unserem Land trug, wie Marlboro, Camel und so weiter. Bei uns wurden sie gewaschen und getrocknet, um sie weiter zu tragenbenutzen, aber in ihrem Land war das streng verboten. So wunderte es sie, was für Freiheiten wir hatten und dass wir all das tun konnten. Das war 1979-1980. 

Und dann bin ich zu VGIK gegangen, weil ich Filmregisseurin werden wollte. Meine Verbindungen in die DDR setzten sich fort, weil ich Deutsch konnte. Obwohl wir keine Studenten aus der DDR hatten, hatte das VGIK eine enge Beziehung zur Filmhochschule Konrad Wolf in Babelsberg, die immer noch existiert. Damals gab es so genannte Filmtage – Studentenfilmfestivals. Für diese Festivals wurden Delegationen aus der Sowjetunion ausgewählt. Wir gingen dorthin – zwei oder drei Studenten und zwei Professoren. Das VGIK war bei allen, die für die Verbreitung von Informationen zuständig waren, allgemein verhasst, und dennoch hatten wir dort keine KGB-Leute – offenbar gab es eine interne Disziplin. Auf dem Leipziger Dokumentarfilmfestival 1983 bat mich eine Goskino-Beamtin (Staatliches Komitee der UdSSR für das Filmwesen), in ihrem Zimmer zu übernachten, bevor sie abreiste. Offenbar, damit ich nicht weglaufe. Es hatte so einen Vorfall gegeben.

Natürlich konnte man nicht einfach so in die DDR fahren, das war damals unmöglich. Jeder, der dorthin fuhr, musste vom Komitee des Bezirks Babuschkinskiy befragt werden. Sie fragten, wie viele Parteien es in der DDR gab, wie die Ernte dort ausfiel – na ja, das Übliche eben. Erst danach wurde dir der Vermerk gegeben, dass du fahren kannst.

Als wir studierten, war die Filmhochschule Babelsberg in kleinen Villen untergebracht, auf die die Fakultäten verteilt waren. Das Rektorat befand sich in der Villa, in der Stalin während der Potsdamer Konferenz gewohnt hatte. Hinter einem Vorhang befand sich da die Badewanne, in der er gebadet hatte, und sie wurde allen Gästen gezeigt. 

Ich war vielleicht zwei oder drei Mal auf Festivals und habe mich mit verschiedenen Leuten aus der DDR angefreundet. Wenn man jemanden mag, bleibt man mit ihm oder ihr in Kontakt – und so bleiben wir seit langem in Verbindung. Ich habe einen Freund, der jetzt Professor an einer Filmhochschule ist, ein Dramatiker, den ich bei einem Filmtag kennengelernt habe und wir sind immer noch befreundet. Ich bin auch mit seiner Familie in Kontakt. Meine beste Freundin, die Schauspielerin Annette Kruschke, ebenfalls aus der DDR, arbeitet heute in einem Theater in Kassel. Wir sind sehr eng befreundet. Ich bin sogar Taufpatin ihres Kindes.

Interview: Natalia Konradova

Das Interview mit Annett Kruschke findet sich hier.

Unerwünschte Wege 2023